Eltern haften für ihre Kinder! Oder nicht?

Das Warnschild „Eltern haften für ihre Kinder!“ kennen wir alle – auf Baustellen, auf Spielplätzen und an vielen öffentlichen Einrichtungen. Doch haften Eltern wirklich uneingeschränkt und jederzeit für ihre Kinder?

„Eltern haften für ihre Kinder!“ – ein Rechtsirrtum

Ganz so einfach, wie es auf dem Schild steht, ist die tatsächliche Sachlage nicht. Was die wenigsten wissen: Tatsächlich handelt es sich bei diesem Schild um mehr als eine dringende Warnung – nämlich um eine juristische Frage. Denn Eltern können nicht automatisch für die Taten ihrer Kinder belangt werden. Hier spielt eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren eine entscheidende Rolle. Somit ist das Warnschild „Eltern haften für ihre Kinder!“ tatsächlich ein Rechtsirrtum.

Ab wann haften Eltern für ihre Kinder?

Grundsätzlich gilt, dass jeder Mensch für seine Taten selbst verantwortlich ist. Auch Kinder müssen Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen und können dafür haftbar gemacht werden. Ohne Einschränkungen haben junge Leute für selbst verursachte Schäden aber erst dann die Haftung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. Ein Zivilgericht kann jedoch, je nach Alter und Reife, durchaus auch einen Minderjährigen selbst zur Verantwortung ziehen. Zahlen muss er dann womöglich als Erwachsener, denn ein vom Gericht rechtskräftig festgestellter Anspruch verjährt erst in 30 Jahren. Aber auch dann, wenn der Minderjährige nicht selbst für den Schaden haftet, müssen nicht automatisch dessen Eltern bezahlen.

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Kinder unter sieben Jahren sind nicht deliktsfähig

Bis zur Vollendung seines siebten Lebensjahres gilt ein Kind als „nicht deliktsfähig“ und kann damit aus juristischer Sicht nicht belangt werden. Das bedeutet, dass das Kind für von ihm verursachte Schäden nicht verantwortlich gemacht werden kann. Die Eltern haften allerdings, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.

Mehr Verantwortung fürs eigene Handeln: bedingt deliktsfähig

Ab dem siebten und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sind Kinder und Jugendliche nur „bedingt deliktsfähig“. Sie können nicht haftbar gemacht werden, wenn sie „bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht“ hatten, wie es im Juristendeutsch heißt. Es kommt also darauf an, ob das Kind von seiner geistigen Entwicklung her schon verstehen konnte, dass es etwas falsch macht.

Beispiele, wann Eltern haften und wann nicht

Wer haftet, hängt also sehr stark vom Einzelfall ab. Hier einige Beispiele, die zeigen, wie die Schuldfrage in Einzelsituationen rechtlich ausgelegt werden kann.

„Baustelle betreten verboten!“ Haften Eltern immer?

Baustellen haben offensichtlich auf Kinder eine ganz besondere Anziehungskraft: Große Maschinen und Bagger faszinieren viele Kinder. Ein Warnschild mit dem Hinweis „Betreten verboten – Eltern haften für ihre Kinder!“ scheint die Schuldfrage zu lösen, sollte ein Kind die Baustelle betreten und einen Sachschaden verursachen. Doch auch hier gilt: Das Verbotsschild allein macht die Eltern nicht automatisch haftbar. Entscheidend sind das Alter des Kindes und ob die Aufsichtspflicht vernachlässigt wurde.

Eltern sind zur Beaufsichtigung ihres Kindes verpflichtet und müssen bei Vernachlässigung dieser Aufsichtspflicht den Schaden bezahlen. Doch in welcher Form die Aufsichtspflicht zu erfüllen ist, hängt von mehreren Kriterien ab:

  • Vom Alter des Kindes: Je älter das Kind, desto weniger Aufsicht ist notwendig.
  • Vom Charakter des Kindes: Ruhigere Kinder brauchen weniger Aufsicht als sehr aktive.
  • Von der konkreten Situation: Gibt es Gefahrenquellen? Wäre der Schadensfall ohnehin eingetreten, auch bei strengerer Aufsicht?

Haben die Eltern ihrer Aufsichtspflicht genügt, haften sie nicht. Es ist also durchaus möglich, dass der Geschädigte auf seinem Schaden „sitzen bleibt“, weil weder Kind noch Eltern haften.

Baustellen-Schild: Eltern haften für ihre Kinder

Ab wann ist es eine Aufsichtspflichtverletzung?

Beispiel: Beim Spielen vor dem Elternhaus hat ein Fünfjähriger das parkende Auto des Nachbarn mit Steinen zerkratzt. Dabei ist ein Sachschaden entstanden und der Nachbar verlangt, dass die Eltern des Kindes die Kosten der Reparatur übernehmen.

Müssen die Eltern den Schaden bezahlen? Laut Gericht können die Eltern ein fünfjähriges Kind, das bisher keine größeren Schäden verursacht hat, durchaus unbeaufsichtigt draußen vor dem Wohnhaus spielen lassen. Es genügt, wenn sie regelmäßig, etwa alle 15 bis 30 Minuten, nach dem Kind sehen. In diesem konkreten Fall haben die Eltern allerdings erst nach 45 Minuten aus dem Fenster geschaut – für das Gericht lag damit eine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht vor. Die Eltern wurden haftbar gemacht und mussten die Reparatur bezahlen (LG Detmold, Az. 10 S 17/13).

Nicht autorisierte Zahlungsdienste – Eltern haften nicht

Schnell können Kinder mit einer spontanen Handlung einen hohen finanziellen Schaden verursachen, etwa bei Bestellungen übers Telefon. Auch hier gilt: Eltern haften nicht zwangsläufig für ihre Kinder. Zwar vermerkt das Telekommunikationsgesetz, dass der Inhaber eines Telefonanschlusses alle Telefonkosten zu tragen hat. Extrakosten, wie sie z. B. beim Pay-by-Call-Verfahren entstehen, fallen aber nicht darunter, so das Urteil des Bundesgerichtshofes (Az. III ZR 368/16) in unserem nächsten Beispiel.

Der Fall: Der 13-jährige Sohn kauft mit der Pay-by-Call-Funktion spezielle „Credits“ für ein Online-Spiel, indem er mehrmals eine Sondernummer vom Telefonanschluss der Eltern aus anruft. Pro Anruf fällt eine Gebühr an. Die Summe aus den zahlreichen Anrufen – rund 1.250 Euro – wurde den Eltern in Rechnung gestellt. Aber haften die Eltern in diesem Fall wirklich für ihre Kinder? Da die Eltern nachweislich nichts von den Anrufen wussten und auch keine Zustimmung für sie gegeben hatten, mussten sie die Kosten für diesen „nicht autorisierten Zahlungsdienst“, verursacht durch den minderjährigen Sohn, letztendlich nicht übernehmen.

Aufsichtspflicht der Eltern bei Internet-Aktivitäten Minderjähriger

Für Kinder birgt das Internet viele Gefahren. Ein Mausklick reicht, und schon steht einem im Computer vermeintlich die ganze Welt offen. Gerade impulsive Handlungen können so schnell zu teuren Schadensersatzforderungen führen.

Auch bei den Internet-Aktivitäten ihrer minderjährigen Kinder haben Eltern eine Aufsichtspflicht. Den Eltern obliegt dabei nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes zwar keine Kontrollpflicht bezüglich der Computernutzung, wohl aber eine Belehrungspflicht (Az. I ZR 74/12). Sie müssen ihre Kinder auf Nutzungsverbote im Internet und deren Einhaltung hinweisen. Kontrollen aber sind nur nötig, wenn es dafür besondere Gründe gibt. Im konkreten Fall hatte das Kind bereits illegales Filesharing – das direkte Weitergeben von Dateien im Internet – betrieben.

Fazit: besser jeden Schadensfall absichern

Ein Sachschaden ist schnell passiert. Eltern können noch so gut aufpassen, im Eifer eines ausgelassenen Spiels kann schon mal – ganz aus Versehen – etwas zu Bruch gehen. Für solche Fälle empfiehlt sich eine Privat-Haftpflichtversicherung, welche die Kosten in der Regel übernimmt. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr sind die Kinder im Schadensfall über die Haftpflichtversicherung ihrer Eltern mitversichert.

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